
Urkundenunterdrückung nach § 229 StGB
Der Tatbestand der Urkundenunterdrückung nach § 229 StGB schützt die Sicherheit und Integrität des Beweisverkehrs und verhindert, dass Urkunden in einer Weise manipuliert oder zurückgehalten werden, die die Beweisführung in einem Rechtsverfahren beeinträchtigen könnte. Ziel ist es, sicherzustellen, dass Urkunden, die zur Beweissicherung dienen, ungehindert zur Verfügung stehen und nicht zu Unrecht entzogen oder beschädigt werden. Das Rechtsgut, das durch diesen Tatbestand geschützt wird, ist somit die ungestörte Beweisführung im Rechtsverkehr.
Tatobjekt und Tathandlungen
Im Rahmen der Urkundenunterdrückung ist der Begriff der Urkunde im strafrechtlichen Sinne weit gefasst und umfasst sowohl klassische, physische Urkunden als auch moderne, elektronische Dokumente. Die Urkunde muss jedoch eine Beweiskraft besitzen, die der Täter absichtlich verhindern möchte. Der Täter darf über die Urkunde nicht oder nicht allein verfügen, da sonst die Gefahr der Manipulation und Beeinträchtigung des Beweiswerts besteht.
Die Tathandlungen, die die Urkundenunterdrückung verwirklichen, sind das Vernichten, Beschädigen und Unterdrücken von Urkunden:
-Vernichten bedeutet die vollständige Zerstörung der Urkunde, sodass sie nicht mehr wiederhergestellt werden kann. Dies schließt auch die unwiederbringliche Beseitigung der Substanz der Urkunde ein.
-Beschädigen bezieht sich auf eine teilweise Zerstörung oder Beeinträchtigung der Urkunde, etwa durch das Zerstören von Inhalten oder das Unlesbar-Machen von wichtigen Passagen, wodurch die Beweiskraft beeinträchtigt wird.
-Unterdrücken bedeutet, die Urkunde entweder dauerhaft oder temporär zu entziehen. Dies kann durch das Verstecken oder Vorenthalten der Urkunde geschehen, was den rechtmäßigen Zugang von Berechtigten verhindert.
Vorsatz
Für die Tatbestandsverwirklichung muss der Täter vorsätzlich handeln, wobei bedingter Vorsatz ausreicht. Das bedeutet, der Täter muss die Möglichkeit der Beeinträchtigung der Beweisführung und der damit verbundenen Beeinträchtigung des Rechtsverkehrs erkennen und billigend in Kauf nehmen. Der Täter muss zudem die Absicht haben, die Verwendung der Urkunde im Rechtsverkehr zu verhindern oder den Beweis eines Rechts oder einer Tatsache zu vereiteln. Es genügt, wenn er mit der Drohung oder dem Handeln im Hinterkopf, die Beweiskraft der Urkunde zu verhindern, handelt – es muss keine tatsächliche Beeinträchtigung des Beweises eintreten.
Strafrahmen und Strafzumessung
Der grundlegende Strafrahmen für die Urkundenunterdrückung liegt bei einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe von bis zu 720 Tagessätzen. Bei der Strafzumessung spielen verschiedene Kriterien eine Rolle. Diese umfassen vor allem die Schwere der Tat, die Bedeutung der unterdrückten Urkunde, die Dauer der Unterdrückung und die Motivation des Täters. Je nach den Umständen kann die Strafe variieren, insbesondere wenn die Urkunde von erheblichem Wert oder die Tat besonders heimtückisch begangen wurde.
Ein besonders wichtiger Aspekt ist die tätige Reue, die gemäß § 229 Abs. 2 StGB eine vollständige Straffreiheit nach sich ziehen kann, wenn der Täter die Urkunde vor der Verwendung durch den Berechtigten zurückgibt oder die Beeinträchtigung der Beweisführung auf andere Weise verhindert. Diese Rückgängigmachung muss freiwillig und vor dem geplanten Einsatz der Urkunde erfolgen.
Prozessuale Aspekte
Die Urkundenunterdrückung ist ein Offizialdelikt, das von Amts wegen verfolgt wird. Eine Privatklage ist nicht möglich, und eine Ermächtigung zur Strafverfolgung ist nicht erforderlich. Dies unterstreicht den öffentlichen Charakter des Delikts, da der Schutz des Rechtsverkehrs im Interesse der Allgemeinheit liegt. Bei der Beweisführung ist es entscheidend, die Existenz der Urkunde sowie die Absicht des Täters nachzuweisen, die Beweisführung zu vereiteln.
Abgrenzung zu anderen Straftaten
Die Urkundenunterdrückung ist von anderen verwandten Straftaten wie der Urkundenfälschung (§ 223 StGB) und der Beweismittelunterdrückung (§ 295 StGB) abzugrenzen. Im Gegensatz zur Urkundenfälschung, bei der die Urkunde selbst verändert wird, geht es bei der Urkundenunterdrückung darum, die Urkunde überhaupt nicht verfügbar zu machen oder ihren Gebrauch zu verhindern. Zur Beweismittelunterdrückung existiert eine Spezialnorm, die Vorrang vor § 295 StGB hat, da sie sich speziell mit der Beeinträchtigung von Urkunden im Rahmen des Beweisverkehrs befasst.