Die Zurechnungs(un)fähigkeit im österreichischen Strafrecht
Was ist Zurechnungsunfähigkeit?
Zurechnungsunfähigkeit bedeutet, dass eine Person aufgrund eines geistigen oder seelischen Zustands nicht in der Lage ist, das Unrecht ihrer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Im österreichischen Strafrecht ist dies ein wichtiger Begriff, da eine zurechnungsunfähige Person nicht für ihre Handlungen strafrechtlich verantwortlich gemacht werden kann.
Gesetzliche Grundlage
Die Zurechnungsunfähigkeit ist im österreichischen Strafgesetzbuch (StGB) in § 11 geregelt. Dort heißt es, dass eine Tat nicht strafbar ist, wenn der Täter zur Zeit der Tat aufgrund eines bestimmten Zustandes nicht imstande war, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Ursachen für Zurechnungsunfähigkeit
Die Zurechnungsunfähigkeit kann durch verschiedene Ursachen hervorgerufen werden, darunter:
- Psychische Erkrankungen: Schwere psychische Störungen wie Schizophrenie, schwere Depressionen oder bipolare Störungen können zur Zurechnungsunfähigkeit führen.
- Geistige Behinderung: Personen mit schwerer geistiger Behinderung sind oft nicht in der Lage, das Unrecht ihrer Handlungen zu erkennen.
- Alkoholisierung und Drogenkonsum: Extrem hoher Alkohol- oder Drogenkonsum kann vorübergehend zur Zurechnungsunfähigkeit führen, wenn die Person in einem Rauschzustand handelt und keinen Bezug zur Realität mehr hat.
Begutachtung und Feststellung
Die Feststellung der Zurechnungsunfähigkeit erfolgt durch ein Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen. Das Gericht beauftragt in der Regel einen oder mehrere Experten, die die geistige und seelische Verfassung des Angeklagten zum Zeitpunkt der Tat untersuchen und bewerten.
Rechtsfolgen der Zurechnungsunfähigkeit
Wenn eine Person zum Tatzeitpunkt zurechnungsunfähig war, entfällt die strafrechtliche Verantwortlichkeit. Das bedeutet, dass die Person für die begangene Tat nicht bestraft werden kann. Allerdings bedeutet das nicht, dass die Person ohne weitere Maßnahmen bleibt. Stattdessen können andere Maßnahmen ergriffen werden, um die Gesellschaft und die Person selbst zu schützen.
Maßnahmen statt Strafe
Statt einer Strafverfolgung können verschiedene Maßnahmen angeordnet werden, um sicherzustellen, dass die Person keine Gefahr für sich selbst oder andere darstellt:
- Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt: Wenn die Person aufgrund ihrer Erkrankung eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt, kann sie in einer geschlossenen Einrichtung untergebracht werden.
- Therapie und Betreuung: In vielen Fällen wird eine umfassende Therapie und Betreuung angeordnet, um die psychische Gesundheit der Person zu stabilisieren und eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen.
Beispiele aus der Praxis
- Psychische Erkrankung: Ein Mann mit schwerer Schizophrenie begeht eine Straftat, weil er Stimmen hört, die ihm Anweisungen geben. Ein psychiatrisches Gutachten stellt fest, dass er zum Tatzeitpunkt nicht in der Lage war, das Unrecht seiner Tat einzusehen. Er wird nicht bestraft, aber in einer psychiatrischen Anstalt untergebracht.
- Alkoholisierung: Eine Frau begeht im Zustand extremer Alkoholisierung eine Straftat. Ein Gutachten zeigt, dass sie aufgrund des Rauschzustandes nicht zurechnungsfähig war. Sie wird nicht strafrechtlich verfolgt, muss aber an einem Entzugsprogramm teilnehmen.
Fazit
Zurechnungsunfähigkeit ist ein komplexes und sensibles Thema im österreichischen Strafrecht. Es stellt sicher, dass Personen, die aufgrund schwerer psychischer oder seelischer Störungen nicht in der Lage sind, das Unrecht ihrer Taten zu erkennen, nicht strafrechtlich belangt werden. Gleichzeitig schützt das Gesetz die Gesellschaft, indem es entsprechende Maßnahmen zur Betreuung und Sicherung dieser Personen vorsieht.